August 2023, Zermatt / CH
Meinen ersten Segelunterricht nahm ich vor ein paar Jahren in Frankreich, während ich einen Sprachkurs besuchte. Segeln zu lernen schlummerte schon lange als Gedanke in meinem Kopf. Die freien Nachmittage nach dem Sprachunterricht boten also endlich die Gelegenheit. Besagte zwei Wochen zeigten sich recht stürmisch, es gab viel Wind und entsprechenden Wellengang. Als Novizin war das nur so halb nach meinem Geschmack (inzwischen finde ich das toll). Auch merkte ich schnell, dass die Segler:innen ihr ganz eigenes Vokabular haben. Der Sprachunterricht ging also munter auch auf dem Boot weiter. Neben dem Boot, das über die Wellen schlingerte, drehte sich auch bald in meinem Kopf sehr viel. Wie sollte ich mir nur all die Begriffe merken und gleichzeitig noch Segeln? Meine erste Segelerfahrung war also vor allem ermüdend.
Im Frühjahr 2023 begann ich dann zusammen mit einer Freundin mit dem Binnensee-Segelschein auf dem Bielersee. Das Boot, der Wind und die Wellen waren definitiv ein paar Nummern kleiner als während meinen ersten stürmischen Segel-Wochen in Frankreich. Das waren schon fast entspannende Tage. Ich wusste aber auch schnell, dass ich aufs Meer wollte.
Ein paar Monate später stolperte ich, während einer langen Zugfahrt in die Ostschweiz, über ein Interview mit einem ehemaligen Schweizer Teilnehmer des Clipper-Rennens. Stundenlang schaute ich daraufhin Videos und las Berichte und las die Webseiten der Clipper-Rennen wohl von A-Z. Und schob es dann wieder beiseite. Denn so ein Vorhaben passte ja eigentlich nicht in meine aktuelle Lebensplanung. Und zudem, mich mit ein paar Segelstunden für so ein Rennen zu interessieren, entsprach überhaupt nicht der gut schweizerischen Tugend, sich ausführlich und gründlich auf ein Vorhaben vorzubereiten und jedes Risiko genau abzuwägen. Zwei weitere Wochen zogen ins Land, während denen mich der Gedanke nicht mehr losliess, wie es wohl wäre.
Nun gut, ich könnte mich ja einfach mal unverbindlich zu einem Interview bei der Rennorganisation melden, zu verlieren hatte ich ja nichts, dachte ich mir. Gesagt, getan. Einige Tage später führte ich ein Interview mit der Crew-Verantwortlichen der Rennorganisation, welche mir daraufhin ein positives Feedback zukommen liess. Noch ein paar Tage später hatte ich eine Absichtserklärung unter-schrieben. Für mich gab es dabei von Anfang an nur eine Option - ganz oder gar nicht. Will heissen, mein Traum ist es, um die Welt zu segeln, alle Etappen, vom Anfang bis zum Ende. Dafür brenne ich. Für eine einzelne Etappe würde ich mir eine luxoriösere Variante aussuchen, wo man mehr im Bikini segeln und ab und zu auch den Tieren unterhalb des Meeresspiegels einen Besuch abstatten könnte. Ich denke dabei zum Beispiel an die Südsee. Wer weiss, falls ich nach diesem Jahr nicht genug von Wind und Wasser habe, wird das vielleicht mein nächstes Abenteuer. Träume darf, ja muss man ja schliesslich haben.
Juli 2024, Portsmouth / UK
Mit der unterschriebenen Absichtserklärung war der Stein ins Rollen gebracht worden. Zunächst einmal erstellte ich einen Trainingsplan, einen Budgetplan, organisierte Trainings und versuchte mich so gut wie möglich in das Thema einzufuxen. Ich war und bin noch immer eine Babyseglerin da draussen auf dem Ozean. Alle Crew-Antwärter:innen absolvieren obligatorisch vier Wochen Training auf der Clipper 70 oder ihrer Vorgängerin, der Clipper 68. Insbesondere die ersten zwei Trainingswochen, Level 1 und 2, dienen dazu, das Boot, das Handling und den "Alltag" auf einer Hochsee-Rennyacht kennenzulernen. Auch wird in der zweiten Woche durchgehend gesegelt, sodass man testen kann, wie man mit 4 oder 6-Stunden-Wach- und Schlafphasen am Besten umgeht. Jede Trainingswoche wird mit physischen und schriftlichen Prüfungen abgerundet.
Für mich waren die zwei Wochen im Juli eine Probe. Genauso wie die Ausbilder:innen mich testeten, wollte auch ich prüfen, ob das Projekt wirklich das Richtige für mich war. Wollte ich wirklich ein Segelrennen um die Welt machen? Elf Monate ohne Luxus, so schnell wie möglich Segeln? Wer mich kennt, weiss, dass mich Geschwindigkeiten, Rekorde, Punkte oder Kilometer meistens herzlich wenig interessieren. Ich will vor allem Spass haben und Neues entdecken bei all meinen Aktivitäten. Und würde mich die inter-nationale Crewzusammensetzung ansprechen? Konnte ich mir vorstellen, mit diesen unterschiedlichen Menschen so lange Zeit auf so engem Raum zu verbringen?
Zwischen den Trainingsblöcken absolvierten wir auch einen Sea-Survival-Kurs. Hier wurde uns Allen eindrücklich vor Augen geführt, dass das Vorhaben keine Sonntagsfahrt werden würde. Das Meer, so faszinierend wie es ist, so viele Gefahren birgt es auch. Unglücke passieren - immer wieder. Es war wichtig, diese persönliche Risikoabwägung zu machen. Welche objektiven Risiken gibt es, welche Gefahr kann ich für meine Crew, oder die Crew für mich sein?
Mit Ende der zweiten Trainingswoche fühlte ich mich immer mehr am richtigen Ort. Genau hier wollte ich sein, schoss es mir etwa am vierten Tag durch den Kopf, obwohl das Wetter miserabel, ich übernächtigt und die Bedingungen recht sportlich waren. Die Prüfungen liefen sehr gut, und auch das Feedback der Ausbildner:innen war sehr positiv. Einer definitiven Zusage stand eigentlich nichts mehr im Weg. Naja, ausser natürlich der enorme Aufwand und die Vorbereitung, die so eine einjährige Abwesenheit mit sich bringt. Ich machte also erneut das, was ich gut kann: neue Excel-Tabellen, ich plante und rechnete zum Thema Verdienstausfall und Altersvorsorge, Job, Wohnung, Nebenjob und Nebenjob und Nebenjob (das ist kein Schreibfehler). Insbesondere der finanzielle Kraftakt für das Projekt bereitete mir damals wie heute Bauchschmerzen. Irgendwann kam ich zaghaft zum Schluss, es könnte aufgehen. Und erinnerte mich an einen Satz, der ungefähr so lautet: Wenn die mühsamste aller Optionen einer Entscheidung gegen die scheinbar einfacheren, gemütlicheren, leichteren Optionen immer noch im Rennen ist, dann ist sie es wert, dass sie ganz genau geprüft wird. Am 15. August 2024 sagte ich offiziell zu. Jetzt gab es kein zurück mehr.
November 2024, Zermatt / CH
Die ruhigeren Tage des Herbst nutze ich vor allem um mich im Trockenen vorzubereiten. Ich bastle an dieser Webseite, übe Knöpfe, eigne mir spezifisches Wissen an, repetiere zusammen mit anderen Crewmitgliedern Theorie und Manöver und versuche mich physisch und mental seefit zu machen. Es sind nur noch 10 Monate bis zum Rennstart Ende August 2025 und es gibt noch so viel zu tun: Material zusammensuchen, aber auch meine Abwesenheit administrativ vorzubereiten. Und mein Leben läuft ja auch noch weiter nebenher.
Bereits jetzt freue ich mich auf die nächsten Ausbildungswochen im Mai und Juli 2025, sowie auf den 17. Mai 2025, dem Crew Allocation Day. Dann wird nämlich bekannt gegeben, mit welchem Team / Skipper man ins Rennen geht.
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